So funktioniert die Schweizer Stromversorgung
Bis vor wenigen Jahren dürften sich die meisten Menschen in der Schweiz nicht allzu viele Gedanken über die Stromversorgung gemacht haben. Elektrizität war auf Knopfdruck verfügbar und günstig, nur selten gab es Ausfälle. Erst mit der Energiekrise im Jahr 2021 rückte das Thema vermehrt ins öffentliche Bewusstsein. Woher kommt unser Strom? Wie wird er verteilt und wer sorgt dafür, dass er stetig fliesst?
Antworten fordern sowohl Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung als auch Marktkunden, die ihren Strom am freien Markt beziehen.
Das Schweizer Stromnetz
Die Anfänge des Schweizer Stromsystems reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Der Ingenieur Emil Bürgin aus Basel konstruiert 1875 eine Gleichstrommaschine, die in Serie produziert wird und den elektrischen Betrieb von Maschinen ermöglicht. Vier Jahre später wird in St. Moritz das erste Kraftwerk in Betrieb genommen: Ein kleines Wasserkraftwerk mit einer Leistung von 7 kW versorgt fortan die Beleuchtung des Speisesaals im «Kulm Hotel St. Moritz». Als erste Schweizer Stadt erhält Lausanne 1882 eine elektrische Stadtbeleuchtung.
Ein nationales Stromnetz entsteht
In den folgenden Jahren entstehen schweizweit viele weitere Insellösungen. Kleine Kraftwerke werden errichtet, um einzelne Unternehmen oder Ortschaften mit Strom zu versorgen. Mit der Zeit erkennt man, dass es Vorteile bringt, wenn diese Mini-Netze miteinander verbunden werden – die Versorgungssicherheit steigt. So schliessen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr Dörfer, Städte und Kantone ihre Elektrizitätsinfrastruktur zusammen. Daraus entsteht ein nationales Stromnetz, das 1958 mit den Netzen von Deutschland und Frankreich verbunden wird, später auch mit jenen der anderen Nachbarn.
Die Stromversorgung heute und morgen
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert sich ein Netz, das zentrale Wasser- und Kernkraftwerke mit den dezentralen Verbrauchern wie Privathaushalten und Unternehmen verbindet. Zudem ist das Schweizer Stromnetz ans europäische angeschlossen, was in Zeiten von Produktionsüberschüssen den Export von Strom erlaubt und bei Mangellagen den Import. Finanziert wird das moderne Schweizer Stromnetz durch den sogenannten Netztarif, der im Strompreis enthalten ist ((interner Link auf den Artikel «Strommarkt»)). Es stehen aber auch Herausforderungen an: Der Zubau von erneuerbaren Energien – insbesondere von Photovoltaikanlagen – verändert die Netzstruktur. Die Elektrizität wird zunehmend dezentral in vielen kleinen Kraftwerken erzeugt und nicht nur in wenigen grossen Anlagen. Das Netz muss deshalb vielerorts ausgebaut werden, zudem rücken digitale Lösungen in den Fokus, die Erzeugung und Verbrauch in Einklang bringen können.
Netzebenen
Das Schweizer Stromnetz ist in sieben Ebenen mit unterschiedlicher Spannung unterteilt. Die Ebenen 2, 4 und 6 dienen zur Transformation des Stroms auf die nächsttiefere respektive nächsthöhere Ebene. Die Stromübertragung erfolgt über die Netzebenen 1, 3, 5 und 7:
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Ebene 1: Übertragungsnetze mit Höchstspannung (220 bis 380 kV)
Transportieren den Strom überregional und grenzüberschreitend. Zudem nimmt diese Netzebene die Produktion der grössten Kraftwerke auf. Die Zuständigkeit für die Ebene 1 liegt bei Swissgrid. - Ebene 3: Überregionale Netze mit Hochspannung (36 bis 150 kV)
Transportieren den Strom überregional, nehmen den Ertrag grosser Kraftwerke auf und versorgen bestimmte Grossverbraucher. Zuständig für diese Ebene sind die jeweiligen Verteilnetzbetreiber. - Ebene 5: Regionale Netze mit Mittelspannung (1 bis 36 kV)
Regionale Übertragung des Stroms, Erschliessung kleinerer Kraftwerke und Versorgung von Verbrauchern wie Schnellladestationen. Zuständig für diese Ebene sind die jeweiligen Verteilnetzbetreiber. - Ebene 7: Lokale Verteilnetze mit Niederspannung (unter 1 kV)
Verteilen den Strom an Haushalte, Unternehmen, Ladestationen und nehmen Ertrag von kleinen Photovoltaikanlagen auf. Zuständig für diese Ebene sind die jeweiligen Verteilnetzbetreiber.
Stromproduktion in der Schweiz
Erzeugt wird die Elektrizität in Kraftwerken unterschiedlicher Grösse, die verschiedene Energiequellen nutzen. Zusammen produzierten die Schweizer Stromerzeuger 2023 gemäss des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE netto 66,7 TWh. Mehr als die Hälfte davon (56,6 %) stammte aus der Wasserkraft, der Rest aus Kernkraft (32,4 %), erneuerbaren Energien wie Holz, Photovoltaik, Windkraft und Biogas (8 %) sowie aus konventionellen thermischen Kraftwerken (3 %).
Stromprodukte von Repower
Strombeschaffung für Marktkunden
Stromprodukte in der Grundversorgung
Wasserkraft
Erste Anlagen zur Erzeugung von Strom mit Wasserkraft entstehen in der Schweiz bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Nach dem zweiten Weltkrieg wird die Wasserkraft massiv ausgebaut: Im Flachland realisiert man zahlreiche Laufwasserkraftwerke, in den Alpen mehrere grosse Speicherkraftwerke. Heute gibt es in der Schweiz rund 700 Anlagen mit einer Leistung von mindestens 300 kW, die gemeinsam durchschnittlich 37 TWh Strom pro Jahr erzeugen. Die Wasserkraft ist damit die wichtigste erneuerbare einheimische Energiequelle – und soll das auch bleiben. Der Bund will im Rahmen der Energiestrategie 2050 die durchschnittliche Jahresproduktion um 1,5 TWh erhöhen, indem bestehende Anlagen erweitert und neue Wasserkraftwerke zugebaut werden.
Kernkraft
Mit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks (KKW) Beznau I im Jahr 1969 beginnt in der Schweiz die kommerzielle Nutzung der Kernenergie für die Stromgewinnung. 1972 folgen Beznau II und Mühleberg, später Gösgen (1979) und Leibstadt (1984). Das KKW Mühleberg wird 2019 aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet und seither rückgebaut. 2017 stimmt die Bevölkerung für den Ausstieg aus der Kernenergie – nach heutigem Gesetzesstand dürfen keine neuen KKW bewilligt werden. Es gibt derzeit aber Bestrebungen, dieses Verbot aufzuheben. Unabhängig davon dürfen die bestehenden KKW weiter betrieben werden, solange sie als sicher eingestuft werden. Heute trägt die Kernkraft rund ein Drittel zur inländischen Stromproduktion bei, in der Regel zwischen 20 und 25 TWh.
Erneuerbare Energien
Photovoltaik, Windenergie, Holz und Biogas sollen mittel- und langfristig zusammen mit der Wasserkraft die Kernkraft ersetzen. Der Fokus liegt vor allem auf der Photovoltaik, deren Zubau sich in den letzten Jahren stark beschleunigt hat. 2050 soll sie 40 % des Strombedarfs decken können – heute liegt der Wert bei ungefähr 10 %. Auch die Windkraft könnte künftig eine wichtige Rolle spielen, gerade auch im Winter, wenn die Solarenergie weniger Erträge liefert. Allerdings dauern die Bewilligungsverfahren nach wie vor sehr lange und der Widerstand gegen Windparks ist vielerorts gross. Weitere erneuerbare Energiequellen wie Holz und Biogas dürften ebenfalls einen Beitrag zur Stromversorgung leisten, ihr Potenzial ist hierzulande aber begrenzt.
Import und Export
Durch die Anbindung ans europäische Stromnetz kann die Schweiz bei einer Überproduktion oder bei hoher Nachfrage aus dem Ausland Strom exportieren. Das ist üblicherweise im Sommer der Fall, wenn die Schweizer Wasserkraft viel Strom erzeugt. Produzieren die hiesigen Kraftwerke zu wenig Strom, importiert die Schweiz Elektrizität aus den Nachbarländern. Üblicherweise ist das im Winter der Fall, wenn Wasserkraft und Photovoltaik weniger Erträge liefern.
Wie stark die Schweiz im Winter auf Stromimporte angewiesen ist, hängt vom Wetter ab. In warmen Wintern sinkt der Heizwärmebedarf und es wird weniger Strom für den Betrieb der Wärmepumpen benötigt. Fällt viel Niederschlag, produziert die Wasserkraft mehr Strom. In diesen Fällen reduziert sich der Importbedarf, ansonsten steigt er tendenziell.
Wichtige Akteure der Schweizer Stromversorgung
Verschiedene Organisationen und Unternehmen sind dafür zuständig, dass die Versorgungssicherheit und Stabilität des Netzes jederzeit gewährleistet sind. Nachfolgend die wichtigsten Akteure.
Elcom
Als unabhängige staatliche Behörde überwacht die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) die Einhaltung des Stromversorgungs- und Energiegesetzes. Zudem beaufsichtigt sie die Strompreise und entscheidet bei Differenzen betreffend den Netzzugang. Die ElCom überwacht ferner die Versorgungssicherheit, regelt Fragen zum internationalen Stromtransport und -handel und entscheidet bei Unstimmigkeiten zwischen anderen Akteuren.
Swissgrid
Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid ist für den sicheren Betrieb und die Überwachung des Schweizer Übertragungsnetzes zuständig, also primär für die Netzebene 1. Sie sorgt dafür, dass Produktion und Verbrauch von Strom jederzeit im Gleichgewicht sind, damit das Netz stabil bleibt. Swissgrid koordiniert dazu die Stromproduktion und greift wenn nötig durch das Verbinden respektive Abtrennen von Leitungen ein, um die Balance zu gewährleisten. Sie kann auch Anweisungen an Kraftwerke geben, ihre Leistung zu erhöhen oder zu reduzieren.
Verteilnetzbetreiber
Der Betrieb der überregionalen, regionalen und lokalen Netze obliegt den mehr als 600 Verteilnetzbetreibern, die es in der Schweiz gibt. Sie versorgen die Endverbraucher mit dem benötigten Strom, den sie aus dem Übertragungsnetz beziehen, stellen also die Grundversorgung ((Interner Link auf Beitrag «Strommarkt»)) sicher. Die meisten dieser Unternehmen erzeugen selbst keinen Strom und sind oft kleine Gemeindewerke. Es gibt aber auch einige grosse, national tätige Verteilnetzbetreiber, die eigene Kraftwerke betreiben. Die meisten sind dem Branchendachverband der Schweizer Stromwirtschaft (VSE) angeschlossen, der ihre Interessen vertritt.